Jacques R. Gesret : Neurophysiologische Definition der Energiekontrolle
Prinzipien
Was könnte der Unterschied zwischen den Nervenfunktionen und der Regulierung von Kraft- und Brennstoffzufuhr auf dem Niveau der Organe und Eingeweide sein ?
Die Kontrolle der Vasodilatation und der arteriellen und venösen Vasokonstriktion scheint die einzige Verbindung zu sein, die diese beiden Funktionen vereinen kann, indem sie die Blutzufuhr, also Energie eines Organes oder eines Eingeweides anreichert oder verringert.
Von allen Organen des vegetativen Lebens tragen die des Kreislaufsystems am meisten dazu bei, sichere Konditionen zur schnellen Umsetzung der Gewebeaktivität zu schaffen, in dem Masse, wie die Existenzkonditionen des Organismus in der Umgebung variieren.
- Alle lokalen Fluktuationen des Gewebemetabolismus rühren notwendigerweise von einer in der Durchblutung eingetretenen Modifikation her. (C. Bykov)
Wir verstehen also diese Begriffe von Energieleere oder Energieüberschuss besser, die man stärken oder verteilen muss, der Akupunktur-Tradition folgend.
Wenn man diese logische Argumentation anerkennt, muss man sie mit den zuvor beschriebenen Anomalien der epikritischen Hautreflexe in Verbindung bringen.
Zwei Arten von Reizwahrnehmung
Wir haben zwei Reizwahrnehmungsarten beschrieben (Stechen und Brennen)
und zwei Reaktionsarten (entweder Vasodilatation oder Nichtvorhandensein
einer Antwort oder sogar Vasokonstriktion).
Ein normales Hautgebiet nimmt wahr und übersendet gleichzeitig die
feinmechanischen Informationen und die normalen exogenen thermischen
Informationen.
Dieses Hautgebiet, unter Einfluss des Cortex cerebri, moduliert
normalerweise seine vasokonstriktorischen und vasodilatatorischen Reflexe,
die die endogene thermische Information absichern.
- Man kann sagen, dass der Cortex cerebri die Peripherie steuert: er regelt die funktionale Aktivität der peripheren Systeme. Der Cortex registriert nicht nur, er dirigiert und kommandiert die Hautempfindung. (C. Bykov)
- Die Verbindung der Hautsensibilität mit dem Cortex ist keine einfache unilaterale zentripetale Verbindung; es ist eine Interrelation in allen Richtungen. (C. Bykov)
Es scheint logisch vorzubringen, dass die kortikalen Reaktionen in
gleichem Masse gefälscht sind, in dem die wahrgenommenen
Hautinformationen inexakt sind.
Ein annormales Hautgebiet nimmt weder wahr, noch übersendet es die
feinmechanischen Informationen, aber integriert sie gleichwohl in ihrer
Gesamtheit, als ob es sich ausnahmslos um thermische Informationen
handelte. Dieses Gebiet moduliert sein Vasodilatationssystem nicht mehr,
es ist in den meisten Fällen energielos (manchmal gefässverengt und
sichtbar im Vergleich zu Gebieten, von denen es sich ohne Hilfe einer
bestimmten Reizung abgrenzt).
Eine einfache Abreibung mit Hilfe eines "Massagehandschuhs aus Rosshaar"
lässt es sofort sichtbar werden, aber die Benutzung der "fleur de
prunier" (einem chinesischen Instrument, das wie ein kleiner Hammer
geformt und mit 7 kleinen Nadeln bestückt ist) ist noch interessanter,
infolge eines Brenngefühles, das das annormale Gebiet mit Präzision
erkennen lässt.
Zwei prinzipielle Aktionen
Bei der Akupunktur gibt es zwei prinzipielle Aktionen, die vorgesehen sind, um die gestellten Probleme zu beseitigen: das Stechen und das Brennen mit einem Kegel. Es existieren Varianten, die Nadeln betreffend, die kalt oder warm sein können, manipuliert oder nicht, und manchmal auf Dauer belassen werden.
Selbstverständlich finden wir die Begriffe der mechanischen Information und der thermischen Information in der Behandlung wie in der Beobachtung der epikritischen Hautreflex-Anomalien.
- Die Physiologie des Organismus muss als ein ganzes betrachtet werden; es darf keine Trennung des Prinzipes zwischen den verursachten Prozessen durch die Rezeptorenstörung, die den Influx des inneren Organismusmilieus registriert, und die Störung der sensiblen Rezeptoren des Umgebungsmilieus geben. ( nach Pavlov, in seiner einheitlichen Theorie der analytischen Aktivität )
Nach C. Bykov
Aus seiner Sicht stellt sich die Frage folgendermassen :
- Muss man berücksichtigen, dass die Interozeptorenstörung nur der Grund der absoluten Elementarreflexe ist und, vor allem der Reflexe, die die Aktivität des selben Organsystems modifizieren, in denen die angegebenen Interozeptoren gelegen sind ?
- Sollte man weiterhin die Interozeptoren den Exterozeptoren, die das prinzipielle Empfangsfeld der konditionellen Reflexe auf der Basis der Motorikreaktionen des Organismus im äusseren Milieu sind, gegenüberstellen ?
Die aktuelle klinische Konzeption will die Rezeptoren, deren Einflüsse das Verhalten im äusseren Milieu bestimmt und denen, deren Einflüsse die Antworten des Organismus auf die Fluktuationen seines inneren Milieus bestimmt, distanzieren.
- Der Cortex cerebri, der das ganze Verhalten des Organismus im Umgebungsmilieu kontrolliert, agiert gleichzeitig auf jede interne Einsparung. Es ist also unwahrscheinlich, dass die entgegengesetzte Verbindung nicht existiert. (Bykov)
Die projizierten Informationen
Damit ein Postulat exakt ist, muss man die Ausdrücke umkehren können :
Es existiert eine Übereinstimmung zwischen den sympathischen
Eingeweidefasern und den sympathischen Hautfasern (Überbringer der
thermischen Informationen) : sie sind amyelin, von geringem Durchmesser
und von langsamer Konduktion.
Logischerweise könnte auch ein ähnliches Verhältnis zwischen den beiden
Informationsarten bestehen, das auf Grund dieser Tatsache der
Ausgangspunkt für die Interpretationsfehler des Zentralnervensystems sein
könnte.
Räumen wir ein, dass die Informationen eines Hautgebietes nicht mehr die
feinmechanischen Informationen übermitteln, sondern nur noch die
permanenten thermischen Informationen, wahrgenommen durch ein System (zentral,
medullär oder ganglionär), als ob es Informationen seien, die vom
entsprechenden Eingeweide ausgehen :
- was würde passieren ?
Ein Eingeweide ist normalerweise reguliert
Wir können schon festhalten, dass ein Eingeweide normalerweise reguliert
ist mit maximalen und minimalen Aktivitätsphasen, die den von der
Gesellschaft auferlegten Rythmen entsprechen (Mahlzeiten, Ruhephasen,
Arbeitsphasen).
Es handelt sich entweder um biologische Rythmen oder um chronobiologische
subtilere Rythmen.
Dieses Eingeweide wird also Phasen erleben, in denen die Blutzufuhr,
seine Arbeitsleistung, Wärmeleistung und Abfallverarbeitung ein
Höchstmass erreichen; ausserhalb dieser Perioden der Überaktivität wird
die Blutzufuhr auf ein Minimum reguliert, um die Erhaltung des
Wachzustandes abzusichern. Seine Arbeits- und Wärmeleistung und die
Abfallverarbeitung erreichen also das Mindestmass.
Wenn das Eingeweide viel Blut erhält, also viel Energie, produziert es
auch viel Wärme ... wird diese thermische Information vielleicht genutzt,
um das Funktionieren über einen Gegenreaktionseffekt zu regulieren (feed-back) ?
Dies scheint logisch, denn wenn die thermischen Informationen "kalter"
Art sind (was eine lokale Vasokonstriktion der Haut provozierte) und sie
wahrgenommen werden, wie wenn sie vom Eingeweide über die Reflexbahn
kommen, würde sich eine identische viszerale Vasokonstriktion produzieren,
also eine Reduzierung der Leistung seiner Blutzufuhr (Energieleere, die
durch die Brennkegel tonisiert werden müsste).
Im Fall von thermischen Informationen "warmer" Art würde sich der
gegenteilige Mechanimus produzieren, und wir würden eine Erhöhung der
Blutzufuhr auf dem Eingeweideniveau unterstützen (also die Fülle oder den
Überschuss von Energie, der mit Hilfe der Nadeln verteilt werden müsste).
Physiologische Mechanismen
Die Akupunkturpunkte können auf Grund dieser Tatsache eine Funktion
besitzen, die einen Vasodilatations- oder einen Vasokonstriktions-Reflex
auf dem Ernährungsniveau des Eingeweides stimuliert, indem sie ihm seine
Blutzufuhr erhöhen oder vermindern und daher seine Energieleere auffüllen
oder seinen Überschuss verteilen.
Wir finden hier die Prinzipien wieder, die mit der Akupunktur-Tradition
und den physiologischen und neurophysiologischen Mechanismen der
aktuellen Wissenschaft übereinstimmen.
Bleiben wir bei unserem logischen Zusammenhang zwischen dem Energieüberschuss, der Wärme und der Nadel-Dispersion einerseits und der Energieleere, der Kälte und der Brennkegel-Verstärkung andererseits.
Der Kälte-Mechanismus
Nehmen wir das Beispiel "einer Erkältung" auf der Brust. Welcher
Reflexmechanismus ergibt sich nach dem erwähnten Prinzip daraus :
Vasokonstriktion der Haut mit oder ohne Zittern
- induzierte Viszeral-Vasokonstriktion
- Verlangsamung des Blutstromes in den Eingeweidekapillaren
- Wertsenkung der zirkulierenden Leukozyten, also Abwehrminderung
- Möglichkeit einer bakteriellen Infektion ?
Der Wärme-Mechanismus
Wir ziehen in Betracht, das Prinzip ins Spiel zu bringen, durch die Anwendung eines Kataplasmas aus Senfmehl * (siehe folgende Seite), ein lokales revulsives Mittel, das bei den Alten gut bekannt ist :
- auf den Brustbereich begrenzte Hautrevulsion mit starker Erythemreaktion
- induzierte starke Viszeral-Vasodilatation
- Ansteigen des Blutstromes in den Eingeweidekapillaren
- Wertanstieg der zirkulierenden Leukozyten, also Abwehrsteigerung
- Möglichkeit der Bakterienzerstörung.
Andere Beispiele :
- ein Eisbeutel auf dem Bauch, um das Phänomen einer Appendixentzündung zu verlangsamen
- eine Wärmflasche auf den Magen bei Verdauungsproblemen.
Es handelt sich wirklich um Haut-Eingeweide-Reflexe und nicht um die
Kälte- oder Wärmepassage durch die Haut, manchmal sogar durch ein relativ
dickes Unterhautfettgewebe.
Die Erzeugung einer generellen Hyperthermie durch ein heisses Bad (38°C)
war eine Technik, die schon von den Römern angewendet wurde.
Ein hyperthermisches Bad provoziert ein künstliches Fieber und schaltet
so alle Abwehrmechanismen ein und zwar vor ihrer natürlichen Auslösung
durch die Infektion.
Diese Methode, die heutzutage wenig angewendet wird, bringt sehr gute
Resultate bei grippalen Infekten, ist aber im Fall von Kreislaufstörungen
abzuraten.
Die alten kennen gut den Gebrauch eines Grogs aus Rum, Honig, Zitrone und
kochendem Wasser, der bei grippalen Infekten eine Hitzereaktion und
Schwitzen auslöst (dieser Brauch ist noch nicht ganz abhanden gekommen !)
Man kann auch eine Aktion auf Distanz erreichen, indem man
narkotisierende Substanzen in eine Hautzone injiziert, um einen
Eingeweideschmerz zu lindern.
Osteopathische Verbindung
- Die Arterie oder die Arteriole transportiert das mit Energie angereicherte Blut.
- Das periphere Nervensystem moduliert die Leistung der Arterie oder der Arteriole.
- Die Gelenkeinschränkungen des Rückgrats stören die sympathische Funktion und favorisieren die parasympathische Dominanz.
- Diese Prädominanz verengt den Innendurchmesser der Arterie und reduziert die Blutzufuhr, also die Energie.
- Die Manipulation hebt die Sperre der Entzündung auf, die von der Gelenkbewegungseinschränkung herrührt, und die die vom Rückgrat stammende sympathische Faser zusammendrückt.
- Die Manipulation setzt also die sympathische Aktion frei (Dilatation), die die Leistungsregulierung in der Arterie oder der Arteriole ermöglicht und aufgrund dessen die Energieregulierung des betroffenen Eingeweides.
- Die Akupunktur und die Osteopathie agieren gleichsam bei der Regulierung der viszeralen Arterienleistung des behandelten Segmentes.
- Eine, über die Stimulierung des kutaneoviszeralen Reflexbogens, der durch die projizierten (Phantom-) Informationen gestört ist, die andere über die pure und einfache Eliminierung der selben störenden Informationen.